Ausblick 2026: Auf wackeligen Beinen Richtung Gipfel?
Kernpunkte:
- Wir bleiben optimistisch für Aktien, und sehen Chancen insbesondere in den Schwellenländern und in Europa; US-Aktien mit Klumpen-Risiko.
- Anleihen: Solides Jahr voraus, trotz niedriger Spreads. Schwellenländerstaatsanleihen als interessante Beimischung.
- Dennoch: Das Setup für Wirtschaft und Kapitalmarkt ist nicht komplett sauber!
Was Sie, liebe Leserschaft, heute in den Händen halten, ist ein Spickzettel, wie wir die Kapitalmärkte rund um den Jahreswechsel und zu Beginn des nächsten Jahres einschätzen. Dabei treibt uns die Frage um: Wie sollte ein Multi-Asset-Portfolio aufgestellt sein, wenn es keinerlei Beschränkungen bei der Wahl der Vermögenswerte gibt?
Aktien: Erneut stark?
Rund um die Feiertage gilt es zunächst, sich nicht zu stark aus der Deckung zu wagen. Für das nächste Jahr bleiben wir indes für Aktien moderat optimistisch. Bei einer adäquaten Steuerung könnte 2026 sogar erneut ein richtig gutes Aktienjahr werden; zumindest, wenn volkswirtschaftliche Härten ausbleiben (siehe dazu Abschnitt Chancen und Risiken).
Schwellenländer-Aktien könnten positiv überraschen. Bereits seit einiger Zeit weisen sie wieder einen positiven, zyklischen Gewinntrend auf. Folglich konnten sie trotz politischer Herausforderungen bereits 2025 beachtliche Kursgewinne verzeichnen. Fallende Zinsen in den USA und ein schwächerer US-Dollar dürften sich auch im kommenden Jahr als stützender Faktor erweisen. Die Rally kann also weitergehen.
Auch für europäische Aktien sind wir optimistisch. Ja, Sie lesen richtig: Europa! 2025 war in Bezug auf die Wertentwicklung bei den großen europäischen Aktienindizes ein gutes Jahr, aber vor allem aufgrund steigender Bewertungen. Die Unternehmensgewinne haben sich dagegen nicht vom Fleck bewegt und waren insofern klar enttäuschend. Das ist keine nachhaltige Kombination – unser Ausblick setzt voraus, dass die Unternehmensgewinne im kommenden Jahr ansteigen. Sofern sich die Gewinnschätzungen der Analysten als zutreffend erweisen sollten, steht Kursgewinnen wenig entgegen. Aktuell wird für das Fiskaljahr 2026 vs. 2025 (nach den Zahlen von IBES) ein Gewinnwachstum von 12% für den Stoxx 600 erwartet, beim Euro Stoxx 50 liegt die Schätzung bei 14%.
Unser Eindruck ist allerdings, dass diesem Optimismus außerhalb eines engen Zirkels von einigen Analysten und Strategen ein ziemlich eisiger Wind entgegenbläst. An (deutlich) steigende Unternehmensgewinne in Europa scheinen aktuell nur wenige Investoren zu glauben, allenfalls punktuell bei den großen Rüstungsfirmen und ansonsten höchst selektiv in wenigen anderen Sektoren. Vor allem in Deutschland haben wir den Eindruck, die Stimmung in Bezug auf die Wirtschaft liegt, wenn überhaupt, nur marginal über dem absoluten Nullpunkt. Interessant ist, dass ausländische Investoren die Lage etwas positiver einzuschätzen scheinen.
Wir üben an dieser Stelle äußerste Zurückhaltung mit einem Urteil in Bezug auf die Leistung unserer Regierung und die Frage, ob sich wirtschaftlich tatsächlich etwas zum strukturell Besseren bewegen wird. Worauf wir aber mit Nachdruck hinweisen: Wenn man sehr viel Geld nimmt und es in die Wirtschaft „pumpt“, dann steigt (fast immer) das Wachstum. Je besser das Ausgabenpaket umgesetzt wird, desto stärker und länger wirkt es nach. Natürlich kann man trefflich darüber streiten, wie hoch so ein Wachstumseffekt schlussendlich ausfallen wird und welchen Einfluss dies auf Preise und Zinsen ausübt. Aber, der wichtigste Punkt ist: Expansive Fiskalpolitik funktioniert vorübergehend. Die neue deutsche Lust am Geld ausgeben dürfte deshalb positiv auf die gesamte Eurozone ausstrahlen. Wer nicht daran glaubt: Höhere Staatsausgaben waren in den USA ein ganz wesentlicher Grund dafür, dass sich die Wirtschaft dort in den letzten fünf Jahren wesentlich positiver als in Europa entwickelt hat. Besonders ausländische Investoren sind vielleicht auch deshalb weniger skeptisch mit Blick auf die hohen Staatsausgaben. Möglicherweise, weil sie ihr Geld ja abziehen können, sobald der Zustrom an deutschen Staatsgeldern künftig versiegen sollte. Als hiesiger Steuerzahler bekommt man dagegen mit Sicherheit irgendwann die Rechnung präsentiert.
Japanische Aktien? Muss man weiter auf dem Zettel haben. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung waren beim Nikkei 225 bereits Kursgewinne und Dividenden von mehr als 25% seit Jahresbeginn aufgelaufen. Unter technischen Gesichtspunkten wäre eine Atempause durchaus denkbar, die sich unter Umständen bis ins erste Quartal 2026 hinzieht. Doch die Gewinnentwicklung japanischer Unternehmen dürfte positiv bleiben, die Wirtschaft auch dank zusätzlicher fiskalischer Impulse wachsen. Da wir eine währungsgesicherte Investition in den Markt bevorzugen, kommt als kleines Rendite-Plus die Zinsdifferenz zwischen Japan und dem Euroraum hinzu.
Nun, der Elefant im Raum: US-Aktien. Wir – genauso wie zahlreiche andere Häuser – haben bereits seit längerem und wiederholt darauf hingewiesen, dass Large-Cap-Indizes teuer sind, die Gewinnentwicklung stark von einer kleinen Zahl an hochkapitalisierten Unternehmen getrieben wird, und die Konzentration der Indizes infolgedessen immer weiter zugenommen hat. Was passiert also, wenn hier der Glaube an eine immer rosigere Zukunft verloren geht, oder die Gewinne nicht mehr so stark strömen sollten? Dieses Szenario bereitet uns weiterhin erhebliches Kopfzerbrechen. Wir halten es für angemessen, sich etwas stärker zu diversifizieren, entweder regional wie oben beschrieben, oder mit einem etwas stärkeren Fokus auf US-Unternehmen, die ggf. von der Implementierung von künstlicher Intelligenz auf die Geschäftsprozesse profitieren (die sogenannten „AI-Adopter“). Eine starke und/oder zu frühe Abkehr von der erweiterten Riege der „Glorreichen Sieben“ könnte aber auch 2026 zu den Fehlern zählen, die man tunlichst vermeiden sollte. Schließlich sind weder die hohe Indexkonzentration noch die mitunter hohen Bewertungen wirklich neu. Wir sind uns sicher, dass das Wettrüsten um die leistungsfähigsten Datenzentren sowie die größten Fortschritte im Bereich künstliche Intelligenz auch im kommenden Jahr fröhlich weitergehen wird.
Mittelgroße US-Unternehmen, insbesondere der S&P 400, gehören für uns strategisch ebenso auf den Kaufzettel, sie sehen aber bereits seit längerer Zeit technisch wenig inspirierend aus. Insofern gilt es hier, weiter stillzuhalten – wir würden besonders in diesem Segment im Zweifel warten, bis sich ein Stimmungsumschwung klar in den Kursen abzeichnet.
Anleihen: Heiter bis wolkig
Bei der EZB und der US-amerikanischen Zentralbank FED halten wir die Markterwartungen für die Leitzinsen im Großen und Ganzen für realistisch. Für die EZB könnten ein anhaltend starker Euro, höhere Importe aus China, sowie einige technische Effekte den Inflationsdruck senken. Von der Fiskalpolitik in Deutschland gehen dagegen leicht inflationäre Tendenzen aus. Insgesamt gleichen sich diese Effekte jedoch unserer Ansicht nach weitgehend aus.
Etwas schwieriger ist das Bild in den USA, wo Umfragen unter Unternehmen immer noch einen erhöhten Preisdruck zeigen, und die Effekte aus höheren Zöllen nach unserer Einschätzung noch nicht vollständig an die Verbraucher durchgereicht worden sind. Dennoch geht der Markt zum Redaktionsschluss von zwei bis drei Zinssenkungen im Jahr 2026 aus. Auf der Wachstumsseite ist das möglich. Dafür müsste der Arbeitsmarkt noch moderat an Schwung verlieren, und zwar genau so viel, dass der Lohndruck ausreichend gedämpft bleibt. Dies würde der Fed zeitweilig erlauben, zu hohe Inflationsraten sowie zu hohe Inflationserwartungen ignorieren zu können. Bei einer stärkeren Abschwächung des US-Arbeitsmarktes stünde jedoch unsere insgesamt konstruktive Einschätzung für risikobehaftete Assets in Frage. Sofern der Arbeitsmarkt aber einen Rebound hinlegt und sich robuster zeigt als erwartet, könnten im Extremfall sogar Zinserhöhungen die Folge sein.
Ein anderer kniffliger Punkt für die US-Notenbank: ihre Unabhängigkeit. Denn der politische Druck, der von Präsident Trump ausgeht, dürfte weiterhin sehr hoch bleiben. Unserer Einschätzung nach sollte es der Fed gelingen, diesem Druck im kommenden Jahr standzuhalten. Zweifel daran sind schädlich für den US-Kapitalmarkt, würden aus unserer Sicht aber weniger den Ausblick für die Leitzinsen beeinflussen, sondern in erster Linie die Laufzeitenprämien für Anleihen mit längeren Restlaufzeiten erhöhen.
Für Anleiheinvestoren heißt das: In den USA gibt es etwas Unterstützung bei den Basiszinsen, unter Risikoaspekten bevorzugen wir den Bereich der mittleren Restlaufzeiten. Im Euroraum fällt der Basiszins als Wertreiber von Staatsanleihen weitgehend weg. Das ist unter Ertrags-Aspekten ein vergleichsweise moderat positiver Ausblick. Für den Multi-Asset-Investor ist die Botschaft aber trotzdem positiv, da sich insbesondere europäische Staatsanleihen in einem potenziell schwächeren wirtschaftlichen Umfeld als Stabilitätsanker erweisen dürften. Inflationsgeschützte Staatsanleihen sind ebenfalls einen Blick Wert, insbesondere in den USA, wo die impliziten Inflationsraten aktuell sogar unter den laufenden Inflationsraten notieren.
Wie sieht es mit Unternehmensanleihen aus? Grundsätzlich gut. Denn die Liquidität für Anleihen im Allgemeinen dürfte auch 2026 sehr gut bleiben. Davon sollten Unternehmensanleihen natürlich profitieren. Hinzu kommt, dass die Gesamtrendite trotz der vergleichsweise niedrigen Spreads auskömmlich bleibt. In stark rentenlastigen Portfolio kann es daher Sinn machen, hohe Gewichte bei Unternehmensanleihen beizubehalten. Vor allem in unserem moderat optimistischen Makro-Szenario sollten Unternehmensanleihen glänzen können.
Im Kontext eines über mehrere Assetklassen breit gestreuten Portfolios würden wir uns jedoch bei den Unternehmensanleihen auf die besseren Bonitäten konzentrieren und die Laufzeiten im Segment eher kürzer halten. Im Gegenzug bevorzugen wir etwas längere Restlaufzeiten bei Staatsanleihen, die so als Stabilitätsanker im Portfolio dienen können. Nicht zuletzt könnte es im kommenden Jahr zeitweilig echte Renditechancen bei Langläufern in Europa geben, wenn die niederländischen Pensionsfonds ihre beachtlichen Bestände abgebaut haben, und damit regulatorischen Veränderungen Rechnung getragen haben.
Staatsanleihen aus Schwellenländern halten wir weiterhin für attraktiv: Zum einen lässt sich so das Renditeprofil eines Multi-Asset-Portfolios verbessern, zum anderen streuen sie das Portfoliorisiko nochmals etwas breiter. Ähnlich wie bei Unternehmensanleihen gilt aber auch hier, dass die Risikoaufschläge gegenüber klassischen Staatsanleihen bereits wesentlich zurückgegangen sind. Schnäppchen sind diese Papiere weit überwiegend nicht mehr.
Chancen und Risiken
Sind wir in einer Blase? Wahrscheinlich noch nicht. Dennoch gehen von den hohen Bewertungen bei Aktien bzw. den niedrigen Spreads bei Anleihen Risiken für die Anlagepolitik aus. Über mittlere bis lange Zeiträume ist es sehr wahrscheinlich, dass sich die Bewertungen/Spreads wieder normalisieren. Im Idealfall hat das lediglich einen dämpfenden Effekt auf die Kurse. Dann könnten Investoren positive Renditen vereinnahmen, auch wenn diese geringer ausfielen. Doch je größer die Übertreibung, desto unwahrscheinlicher wird solch ein Szenario. Man sollte daher unbedingt im Hinterkopf behalten: Jede weitere Ausweitung der Bewertungen von Aktien und Renten in 2026 wird zunehmend zu einer Hypothek für die Wertentwicklung in den Folgejahren. Irgendwann wird die Luft wirklich dünn. Auch Vermögensblasen können platzen!
Auch abseits der Kapitalmärkte klaffen die Unterschiede auseinander: Während US-Haushalte in den obersten Einkommensklassen steigende Einkommen verzeichnen können, leben die untersten Einkommensklassen in zunehmend prekären Verhältnissen („K-Shaped Economy“). Es ist nie gut, wenn das Wachstum des Konsums nur von wenigen entscheidend getragen wird. Vor allem zwei Faktoren gilt es zu beachten: Sollten Fortschritte bei der künstlichen Intelligenz gut bezahlte Jobs ersetzen, hätte dies überproportional negative Effekte auf den Konsum. Der andere Punkt: Ein steigender Aktienmarkt unterstützt bei Haushalten aus den oberen Einkommensklassen die Konsumtätigkeit überdurchschnittlich, dem Vermögenseffekt sei Dank. Hier beißt sich die Katze etwas in den Schwanz, weil eine schwächere Entwicklung bei den Vermögenspreisen wiederum zu einer negativen Rückkopplung auf den Konsum führen kann.
Letzter Punkt, den wir auf der Risikoseite erwähnen möchten: Augen auf im Bereich der illiquiden Assets, bspw. Private Credit. Sollte es hier zu Verwerfungen kommen, könnte es deutliche Ansteckungseffekte für den klassischen liquiden Kapitalmarkt geben.
Es ist allerdings auch möglich, dass wir mit unserer abgewogen optimistischen Einschätzung für Aktien und andere risikobehaftete Assets immer noch zu vorsichtig sind. Um nur einige mögliche Glücksfälle aufzuführen:
- Die Geldpolitik könnte Marktteilnehmer womöglich mit weiteren Zinssenkungen positiv überraschen.
- Unerwartet hohe Produktivitätsgewinne durch künstliche Intelligenz (die wir für möglich halten, aber noch nicht entscheidend im Jahr 2026).
- Ein mögliches Ende des Russland-Ukraine-Kriegs.
Verdikt
Wir rechnen damit, dass 2026 erneut ein positives Jahr für Multi-Asset-Anleger werden dürfte. Um zum Erfolg zu kommen, halten wir es für notwendig, sich bietende Chancen auch beherzt zu ergreifen. Vielleicht sind wir mit diesem Ausblick sogar noch zu vorsichtig, und uns steht ein richtig starkes Jahr bevor. Der streng analytischen Leserschaft dürfte aber nicht entgangen sein, dass wir möglichen Risiken etwas mehr Platz in unserem Ausblick einräumen als den Chancen. Denn das Setup für Wirtschaft und Kapitalmarkt ist nicht komplett sauber. Davon unbenommen erwarten wir, dass Diversifikation und eine aktive, beherzte Portfoliosteuerung im kommenden Jahr einen Mehrwert liefern wird.
Disclaimer
Diese Information stellt weder ein Angebot noch eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebots dar, sondern dient allein der Orientierung und Darstellung von möglichen geschäftlichen Aktivitäten. Diese Information erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit und ist daher unverbindlich. Sie stellt keine Empfehlung zum eigenständigen Erwerb von Finanzinstrumenten dar, sondern dient nur als Vorschlag für eine mögliche Vermögensstrukturierung. Die hierin zum Ausdruck gebrachten Meinungen können sich jederzeit ohne vorherige Ankündigung ändern. Soweit Aussagen über Preise, Zinssätze oder sonstige Indikationen getroffen werden, beziehen sich diese ausschließlich auf den Zeitpunkt der Erstellung der Information und enthalten keine Aussage über die zukünftige Entwicklung, insbesondere nicht hinsichtlich zukünftiger Gewinne oder Verluste. Diese Information stellt ferner keinen Rat oder eine Empfehlung dar. Vor Abschluss eines in dieser Information dargestellten Geschäfts ist auf jeden Fall eine kunden- und produktgerechte Beratung erforderlich. Jede über die Nutzung durch den Adressaten hinausgehende Verwendung ist ohne unsere Zustimmung unzulässig. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen, die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Medien sowie sonstige Veröffentlichung des gesamten Inhalts oder von Teilen. Diese Analyse ist auf unserer Website frei verfügbar.