S&P 500: Auf dünnem Eis
Kernpunkte:
- Der S&P 500 weist eine immer stärkere Unwucht auf: Wenige Mega-Caps dominieren Gewinnwachstum, Bewertungen und Wertentwicklung. Dies stellt Investoren vor strategische Herausforderungen.
- Es gibt immer noch Large-Caps mit günstigeren Bewertungen, allerdings haben diese tendenziell eine geringere Marktkapitalisierung und weniger Gewinnwachstum.
Immer konzentrierter, immer weniger im Gleichgewicht und immer teurer – so könnte man die wesentlichen Themen zusammenfassen, die uns beim S&P 500 die Sorgenfalten in die Stirn treiben.
Zunehmende Konzentration
Das Indexgewicht der größten Unternehmen im S&P 500 steigt immer weiter an: Zwischen 2001 und 2006 betrug der Anteil der 100 Unternehmen mit der größten Marktkapitalisierung knapp über 55% am Index. Heute sind es über 70%. Tendenz weiter ansteigend. Die größten zehn Unternehmen allein stehen dabei aktuell für 39% der Indexkapitalisierung.
S&P 500: Beitrag der größten 100 Titel zur Kapitalisierung
Klassische Investmentziele werden mit dieser Gewichtung weniger gut erreicht. Dazu zählen wir neben einer guten Diversifikation auch eine breite Partizipation an der wirtschaftlichen und unternehmerischen Entwicklung von großen börsennotierten Unternehmen.
Aus dem Gleichgewicht
Fans von US-Aktien verweisen gerne auf die steigenden Gewinne, die die Unternehmen des S&P 500 erwirtschaften. Gerade gegenüber europäischen Unternehmen, so das Argument, sei dies ein entscheidender Vorteil zugunsten von US-Aktien. Leider verkennt diese Sichtweise den Kern des Problems. Etwas zugespitzt:
- Die Gesamtgewinne auf Indexebene sind weit überdurchschnittlich beeinflusst durch wenige, hoch kapitalisierte Unternehmen.
- Die „Ersatzbank“ für die allergrößten Unternehmen im S&P 500 ist nicht so stark besetzt. Mehr dazu weiter unten.
- Der Anteil der Unternehmen, die steigende Gewinne verzeichnen, ist gegenüber dem mittelfristigen Durchschnitt rückläufig.
Die ersten beiden Punkte zeigt der Chart unten. Darin sind die Unternehmen des S&P 500 nach heutiger Marktkapitalisierung absteigend – also von größer zu kleiner – aufgeteilt. Die Kategorie „Top 10“ enthält die zehn größten Unternehmen, die „Next 90“ sind die Unternehmen auf den Rängen 11 bis 100. Unter „Last 400“ fassen wir die Unternehmen mit der geringsten Kapitalisierung innerhalb des Index zusammen.
S&P 500: Entwicklung der Unternehmensgewinne*
Das Bild ist eindeutig: Steigende Unternehmensgewinne gab es ganz oben, bei den größten Unternehmen. Bei den kleinsten 400 Unternehmen stagnierten die Gewinne in den letzten Jahren, und bei den Next 90 waren sie nach Marktkapitalisierung gewichtet sogar rückläufig. Dieses Ergebnis spiegelt sich letztlich auch in der oben beschriebenen, zunehmenden Konzentration des S&P 500 wider.
Das bringt uns zur Frage, was denn passieren würde, falls das Gewinnwachstum der größten Unternehmen künftig geringer ausfallen sollte. Hier ist eine Reihe unterschiedlicher Konstellationen denkbar. Aber ideal wäre es für diesen Fall, wenn andere hoch kapitalisierte Unternehmen die Führung im Index übernehmen könnten. Das halten wir ausdrücklich für denkbar. Mit Blick auf die Entwicklung der Unternehmensgewinne in den letzten Jahren bleibt aber auch festzuhalten, dass die Next 90 zuletzt nicht sonderlich stark abgeliefert haben. Die „Ersatzbank“ ist also nach diesem Maßstab schwach besetzt.
Lässt man das Thema Marktkapitalisierung außen vor, ist ebenfalls eine leichte Verschlechterung auf Indexebene zu erkennen. Der Anteil der Unternehmen, die in den letzten 12 Monaten moderate durchschnittliche Gewinnwachstumsraten (>5% p.a.) geliefert haben, war rückläufig und lag unterhalb des mittel- bzw. langfristigen Trends. Dafür ist der Anteil der Firmen, die überdurchschnittlich hohe Gewinnwachstumsraten lieferten (>15% p.a.) sogar etwas angestiegen. Die Spreizung zwischen den wenigen Gewinnern auf der einen und vielen Mitläufern oder sogar Verlierern auf der anderen Seite hat demnach zugenommen, selbst wenn man die Marktkapitalisierung aus der Analyse ausklammert.
Immer teurer
Die Aktien im S&P 500 sind teuer, nach nahezu allen üblichen Maßstäben. Beispiel: Das sogenannte Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) nach Shiller, das per Konstruktion zyklische Schwankungen der Unternehmensgewinne bereinigen soll. Aktuell liegt das Shiller-KGV bei fast 39. Zum Vergleich: Historische Werte gibt es seit 1881, und der US-Aktienmarkt war mit der Ausnahme der Dot-Com-Blase nie teurer als heute. Andere Kennzahlen, wie das klassische KGV, Kurs-Buchwerte, und ähnliche bestätigen dieses Urteil auf ganzer Linie.
Dennoch gibt es eine lebhafte Diskussion, ob die hohen Bewertungen ein wesentlicher Belastungsfaktor für die mittelfristige Wertentwicklung von US-Large-Cap-Aktien sein müssen. Die Bewertungskennzahlen des S&P 500, so das Argument, wären von einer vergleichsweise kleinen Zahl von Aktien mit besonders hoher Marktkapitalisierung überzeichnet. Ein besserer Maßstab sei daher der gleichgewichtete S&P 500, der deutlich weniger teuer sei.
An dieser Einschätzung ist durchaus etwas dran, doch ein ganz wesentlicher Punkt wird dabei vernachlässigt. Denn die teuersten Aktien waren tendenziell diejenigen, die die höchste Marktkapitalisierung und/oder das höchste Gewinnwachstum aufgewiesen haben. Gewichtet man diese Aktien deutlich geringer, so wie im gleichgewichteten Index, fällt natürlich auch die Bewertung niedriger aus. Gerade in den letzten drei Jahren war der Preis dafür ein „langweiligeres Portfolio“ und eine wesentlich geringere Wertentwicklung (Per 26.08. lag der klassische S&P 500 um immerhin fast 28% vor dem gleichgewichteten S&P 500 über drei Jahre).
Was jetzt?
Wer heute in den S&P 500 investiert, setzt weitgehend darauf, dass die gleichen, wenigen Mega-Caps der letzten Jahre den US-Aktienmarkt noch weiter nach oben ziehen werden. Eine stille Ablösung an der Spitze durch andere Titel mit einer sehr guten Wertentwicklung ist grundsätzlich möglich. Wir geben allerdings zu bedenken, dass die „Ersatzbank“ an US-Large-Caps in den letzten Jahren im Mittel nicht überzeugt hat.
Die schärfste Kritik an unserer Analyse besteht sicherlich darin, dass alle oben beschriebenen Themen schon seit längerer Zeit bestehen und es dennoch keine gute Idee war, US-Mega-Caps aus den Portfolios zu verbannen. Die oben beschriebenen Faktoren sind tatsächlich keine guten Timing-Indikatoren: Märkte können immer noch teurer und noch stärker konzentriert werden, und letztlich auch nochmal stärker aus dem Gleichgewicht geraten.
Investoren sollten aber die Augen nicht davor verschließen, dass die Herausforderungen für den S&P 500 in den letzten Monaten weiter zugenommen haben! Für die mittelfristigen Perspektiven sind das keine guten Nachrichten, und die Gefahr von stärkeren negativen Kursreaktionen bei schlechten Nachrichten nimmt zu. Außerdem gilt es zu berücksichtigen, dass das Wohl und Wehe des Large-Cap-Index nicht so stark von gesamtwirtschaftlichen Faktoren getrieben wird, sondern verstärkt von dem Wohlergehen einiger ausgewählter Star-Unternehmen. Solange es dort gut läuft, ist eine Fortsetzung des positiven Kurstrends auch über längere Zeiträume durchaus möglich. Grundsätzlich aber gilt: Das Eis für den S&P 500 wird dünner.
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