20. Mai 2025

Engagement Touchpoint Protokoll TotalEnergies

Engagement Protokoll TotalEnergies

Termin:           28.01.2025, 13:00 Uhr

Unternehmen: TotalEnergies

Teilnehmer: Ihsan Sat (Warburg Invest KAGmbH, ESG Office), Benoit Ribaud (TotalEnergies, ESG Investor Relations)

 

Allgemeine Motivation für Unternehmensdialoge:

Der Engagement-Prozess der Warburg Gruppe wird durch ESG Gremium angestoßen. Derzeit setzt sich dieses aus zwei Mitarbeitern und einem Geschäftsführer der Warburg Invest Kapitalanlagegesellschaft, zwei Mitarbeitern der Vermögensverwaltung der M.M.Warburg & CO, dem Leiter des Investment Offices und der Vermögensverwaltung von Marcard Stein & CO sowie dem ESG Manager von M.M.Warburg & CO zusammen.

Die Vertreter der Warburg Gruppe diskutieren quartalsweise im ESG Gremium schwerwiegende Kontroversen* in Bezug auf Governance, soziale und/ oder ökologische Aspekte. Entscheidet das ESG Gremium sich für einen Engagement-Prozess und das Unternehmen kann im darauffolgenden Dialog die Kontroverse nicht glaubhaft widerlegen oder einen hinreichend guten Umgang mit der Kontroverse nachweisen, wird das Unternehmen zwangsläufig aus dem investierbaren Universum der Warburg Gruppe entfernt.

Unternehmensdialoge erachtet die Warburg Gruppe als wirksames Instrument zur ganzheitlichen Beurteilung von Unternehmen sowie als Möglichkeit, nachhaltigkeitsrelevante Themen zu adressieren als auch unternehmensspezifische ESG-Sachverhalte aktiv zu hinterfragen. Der aktive Dialog versetzt die Warburg Gruppe nicht nur in die Lage, solidere Anlagescheidungen zu fällen, sondern auch infolge einer proaktiven Ansprache Unternehmen für Nachhaltigkeitsthemen zu sensibilisieren. Hiermit wird beabsichtigt, die ökologische Transformation von Geschäftsaktivitäten zu unterstützen und damit gleichzeitig besonders langfristige Investitionen sicherzustellen.

Konkreter Sachverhalt für das Engagement: 

Im September 2024 berichtete Politico detailliert über Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen durch mozambikanische Regierungssoldaten, die an der von TotalEnergies betriebenen Mozambique LNG-Anlage stationiert waren. Dem Bericht zufolge nahmen diese Soldaten 2021 fliehende Dorfbewohner fest, die in der Gasanlage Zuflucht suchten, trennten die Männer von Frauen und Kindern und inhaftierten zwischen 180 und 250 einheimische Männer, die verdächtigt wurden, Verbindungen zur Terrororganisation Al-Shabab zu haben. Mehrere Frauen wurden Berichten zufolge sexuell missbraucht, bevor sie freigelassen wurden. Zwischen Juli und September 2021 wurden die inhaftierten Männer angeblich in Schiffscontainern festgehalten, wobei es zu Folterungen und Morden in Cuatro Camino kam, das sich direkt vor dem Eingang zur TotalEnergies-Anlage befindet. Der Bericht stellte fest, dass das Gebiet, in dem diese mutmaßlichen Gräueltaten stattfanden, unter dem Schutz der TotalEnergies Joint Task Force (JTF) stand, einer rotierenden Sicherheitseinheit aus Regierungssoldaten, Kommandos und paramilitärischem Personal - alle vom Unternehmen finanziert, ausgestattet und untergebracht.

TotalEnergies erklärte in einer Pressemitteilung, dass sie von den im Bericht detaillierten Vorwürfen keine Kenntnis hatten. Das Unternehmen wies darauf hin, dass das letzte verbliebene Personal des Mozambique LNG-Projekts am 2. April 2021 aufgrund von Sicherheitsbedenken evakuiert wurde und die Anlage am selben Tag an die mozambikanischen Sicherheitskräfte übergeben wurde. Im September 2024 forderten sechs Mitglieder des Europäischen Parlaments die Europäische Kommission (EK) auf, sich mit den Menschenrechtsvorwürfen im Zusammenhang mit dem Mozambique LNG-Projekt zu befassen. Sie verlangten Klarheit über die Position der EU hinsichtlich der Beteiligung von TotalEnergies, einem in Europa ansässigen Unternehmen, und forderten die Kommission auf, EU-Menschenrechtsvorschriften durchzusetzen.

Aus unserer Perspektive waren die vorgegebenen Informationen von MSCI nicht ausreichend um eine Änderung des Kontroversenstatus zu rechtfertigen. Der Engagement Call wurde demnach durchgeführt um Informationen dazu einzuholen. Konkret war es nicht klar, inwiefern TotalEnergies zu dem Vorfall beigetragen haben soll und welche Versäumnisse ihnen vorgeworfen wurden.

Geschäftsmodell des Emittenten:

TotalEnergies ist ein französischer multinationaler Energiekonzern, dessen Geschäftsmodell auf mehreren Säulen basiert: Im Upstream-Bereich betreibt das Unternehmen weltweit Öl- und Gasexploration sowie -förderung und ist einer der größten LNG-Händler, während im Downstream-Segment Raffinerien, Petrochemie und ein globales Tankstellennetz betrieben werden. Zunehmend investiert TotalEnergies in erneuerbare Energien wie Solar und Wind, entwickelt Batteriespeicherlösungen und E-Mobility-Angebote, was Teil ihrer strategischen Transformation hin zu nachhaltigen Energielösungen ist – mit dem Ziel der CO2-Neutralität bis 2050. Die Forschung & Entwicklung konzentriert sich auf neue Energietechnologien, CO2-Abscheidung und -Speicherung sowie Wasserstofflösungen, wobei das Unternehmen durch seine Präsenz in über 130 Ländern, besonders in Europa, Afrika und dem Nahen Osten, sowie durch strategische Partnerschaften seine Position als einer der weltweit führenden Energiekonzerne aufrechterhält und dabei zunehmend sein traditionelles Öl- und Gasgeschäft mit Investitionen in erneuerbare Energien und nachhaltige Technologien kombiniert.

Ergebnisse des Unternehmensdialoges / Handlungsempfehlung:

Nach der Aussage von TotalEnergies haben die Journalisten nur Teile ihrer Antworten auf die Vorwürfe veröffentlicht. Das Unternehmen möchte demnächst weitere Veröffentlichungen dazu vorstellen und hat auch in der Vergangenheit Ergänzungen zu den Darstellungen der Journalisten veröffentlicht. Demnach seien die Aussagen zunächst inkomplett und vernachlässigen die positiven Handlungen vom Unternehmen.

Zudem seien einige Informationen faktisch nicht korrekt oder reißerisch: Während die EU den Fall untersucht, war bisher die Aussage der EU, dass im Rahmen des Lieferkettengesetzes bei einer Fertigstellung der Anlage, das Unternehmen für solche Missstände haften müsse. Dies sei jedoch rein informatorisch und selbsterklärend und stelle zunächst keine weiteren Handlungen dar. Zudem war im Artikel von einer Zerstörung der Dörfer und Felder im Umfeld die Rede gewesen. Dabei habe es sich um eine Umsiedlung gehandelt, bei der TotalEnergies neue Unterkünfte und Infrastruktur für die Bewohner aufgebaut hat. Im Artikel wäre eine Zerstörung der Lebensgrundlage in diesen Rahmen impliziert worden, was eine Übertreibung der Situation sei und aus der Perspektive des Unternehmens das Gegenteil der Fall sei. Spezifisch im Falle des erwähnten Dorfes Ncumbi, habe der ursprüngliche Artikel eine Zerstörung und Umsiedlung behauptet, welche faktisch nicht korrekt sei, da das Dorf weiterhin existiere. Das Unternehmen fügt außerdem hinzu, dass der Artikel behauptet habe, dass tausende Bauarbeiter zum Zeitpunkt der Attacke in Palma gewesen seien. Dies sei auch nicht richtig, da TotalEnergies die Verlegung der Mitarbeiter in das sichere Afungi Gelände angeordnet habe.

Das Unternehmen hat zusätzlich Diskrepanzen zwischen MSCI und den anderen Ratinganbietern hervorgehoben: Demnach sei das MSCI Kontroversenrating bei weitem pessimistischer als das von Sustainalytics und ISS. Im Rahmen von mehreren Kommunikationsversuchen mit der Ratingagentur seien die Anfragen zum Dialog größtenteils unbeantwortet geblieben. TotalEnergies sei bereits einige Monate im Dialog um für Klarheit in der Situation zu sorgen.

Das Unternehmen nimmt grundsätzlich eine Kampagne von Aktivisten an, welche (aus der Perspektive von TotalEnergies) eine konfrontative Einstellung zum Konzern habe und welche die Projekte in der Region blocken wolle.

Aus unserer Perspektive erscheint die Informationslage mangelhaft, da weder die Regierung noch das Unternehmen den Inhalt der Anschuldigungen nachvollziehen können. Derzeit sind ausschließlich die Aussagen der Journalisten und der Gegenpartei vorhanden aber keine anderen Beweismittel.

Zudem existiert die zugrundeliegende, fragwürdige Annahme der Journalisten, dass das Unternehmen die Soldaten zum Schutz der Anlage gedrängt habe und dabei Menschenrechtsverletzungen in Kauf genommen habe. Ohne diese Annahme kann keine plausible Verbindung der Straftaten mit dem Unternehmen aufgezeigt werden. Für diese Annahme gibt es jedoch derzeit keinerlei Beweise. 

Eine weniger schwerwiegende Kritik an den Unternehmen ist, dass das Unternehmen trotz der bekannten Menschenrechtsverletzungen der Regierung und Armee in die Region expandiert sei. Während diese Kritik zweifellos korrekt ist, stellt sie Unternehmen vor ein grundsätzliches Dilemma: Ein vollständiger Rückzug aus politisch instabilen Regionen würde der lokalen Bevölkerung wirtschaftliche Entwicklungschancen und Arbeitsplätze verwehren. Gerade große Infrastrukturprojekte können in Entwicklungsländern wichtige Impulse für Wachstum und Armutsbekämpfung setzen. Die Herausforderung besteht darin, diese positiven Entwicklungseffekte zu ermöglichen und gleichzeitig durch strikte Sorgfaltspflichten sicherzustellen, dass die Unternehmensaktivitäten nicht zu Menschenrechtsverletzungen beitragen. Ohne dass nachgewiesen wird, dass das Unternehmen Kenntnis von der Situation hatte und die Menschenrechtsverletzungen ggf. sogar befürwortet hat, ist dieser Kritikpunkt nicht eindeutig als gerechtfertigt einzuordnen.

Wir kommen zu dem Schluss, dass das Unternehmen und die Tochtergesellschaften weiterhin nicht vom Investmentuniversum ausgeschlossen werden sollten bis neue Informationen verfügbar sind, die die Aussagen der Journalisten stützen könnten. Derzeit ist die Informationslage widersprüchlich und es bestehen deshalb wesentliche Diskrepanzen zwischen den Ratinganbietern in der Einschätzung der Situation. Im dem Fall von neuen Erkenntnissen kann das ESG Gremium dann eine Neuabstimmung vornehmen.

Den vollständigen Text lesen Sie hier.