Engagement Touchpoint Protokoll Nokia Oyj
Termin: 21.10.2025, 15:00 Uhr
Unternehmen: Nokia Oyj
Teilnehmer:
Ihsan Sat (Warburg Invest KAGmbH, ESG Office)
David Mulholland (Nokia Oyj, Investor Relations)
Allgemeine Motivation für Unternehmensdialoge:
Der Engagement-Prozess der Warburg Gruppe wird durch ESG Gremium angestoßen. Derzeit setzt sich dieses aus zwei Mitarbeitern und einem Geschäftsführer der Warburg Invest Kapitalanlagegesellschaft, zwei Mitarbeitern der Vermögensverwaltung der M.M.Warburg & CO, dem Leiter des Investment Offices und der Vermögensverwaltung von Marcard Stein & CO sowie dem ESG Manager von M.M.Warburg & CO zusammen.
Die Vertreter der Warburg Gruppe diskutieren quartalsweise im ESG Gremium schwerwiegende Kontroversen* in Bezug auf Governance, soziale und/ oder ökologische Aspekte. Entscheidet das ESG Gremium sich für einen Engagement-Prozess und das Unternehmen kann im darauffolgenden Dialog die Kontroverse nicht glaubhaft widerlegen oder einen hinreichend guten Umgang mit der Kontroverse nachweisen, wird das Unternehmen zwangsläufig aus dem investierbaren Universum der Warburg Gruppe entfernt.
Unternehmensdialoge erachtet die Warburg Gruppe als wirksames Instrument zur ganzheitlichen Beurteilung von Unternehmen sowie als Möglichkeit, nachhaltigkeitsrelevante Themen zu adressieren als auch unternehmensspezifische ESG-Sachverhalte aktiv zu hinterfragen. Der aktive Dialog versetzt die Warburg Gruppe nicht nur in die Lage, solidere Anlagescheidungen zu fällen, sondern auch infolge einer proaktiven Ansprache Unternehmen für Nachhaltigkeitsthemen zu sensibilisieren. Hiermit wird beabsichtigt, die ökologische Transformation von Geschäftsaktivitäten zu unterstützen und damit gleichzeitig besonders langfristige Investitionen sicherzustellen.
Konkreter Sachverhalt für das Engagement:
Im Rahmen des Updates unseres Nachhaltigkeitsstandards zum dritten Quartal wurde das Unternehmen aufgrund von Umsätzen auf Waffenunterstützungssyteme („Weapon support systems“) ausgeschlossen. In unserem Nachhaltigkeitsstandard für alle eigengemangeten Fonds welche nach Art. 8 oder 9 des SFDR eingestuft werden, sind Unternehmen ausgeschlossen welche >1% ihrer Umsätze aus diesen Waffenunterstützungssystemen erzielen. Dabei ist das Ziel, dass wir Unternehmen ausschließen welche zwar indirekt am Waffensektor beteiligt sind, aber durch maßgeschneiderte Produkte für den Sektor direkt an der Rüstungsproduktion beteiligt sind. Es sollen dabei jedoch explizit keine Unternehmen ausgeschlossen werden, welche standardisierte, nicht auf den Rüstungssektor zugeschnitten Produkte herstellen. Dies ist nicht nur unsere Vorgehensweise, sondern auch die von unserem Datenprovider MSCI.
Da der Datenprovider MSCI diesen Wert oft abschätzen muss, kann es in einigen Situationen zu Fehleinschätzungen kommen. Einen ähnlichen Fall hatten wir damals bei SAP SE: Die Standardsoftware wurde vom Militär genutzt, da MSCI jedoch keine Information über das spezifische Produkt hat und ausschließlich öffentliche Informationen verwendet, wurden die Umsätze mit dem Militär als maßgeschneiderte Lösungen eingestuft, rein aus dem Vorsichtsprinzip.
Aus unserem Mailkontakt mit MSCI hat sich ergeben, dass diese Fehleinschätzung auch bei Nokia Oyj stattgefunden haben könnte. Dabei hat MSCI eine Schritt-für-Schritt Berechnungslogik aufgeführt. In dieser Berechnungslogik hat MSCI jedoch nicht einbezogen, ob es maßgeschneiderte oder standardisierte Produkte für den Rüstungssektor sind. Demnach ist auch in diesem Fall die Möglichkeit eines fehlerhaften Ausschlusses gegeben. Daher haben wir Kontakt mit dem Emittenten aufgesucht.
Geschäftsmodell des Emittenten:
Nokia Oyj ist ein finnischer Netzwerkausrüster und Technologiekonzern, dessen Geschäftsmodell auf mehreren Bereichen beruht: Im Network Infrastructure‑Segment verkauft das Unternehmen Hardware und Software für Mobilfunk (RAN), Kern‑ und Transportnetze sowie Glasfaserkonnektivität an Telekom‑anbieter, Kabelbetreiber und Hyperscaler. Mobile Networks liefert 4G/5G‑RAN‑Produkte, Netzoptimierung und Betriebsdienste; dieses Geschäft ist projekt- und CAPEX‑getrieben. Cloud & Network Services bietet Cloud‑native Software, Managed Services, OSS/BSS‑Plattformen und Sicherheitslösungen: hier entstehen stabilere, wiederkehrende Umsätze. Nokia Technologies verwaltet Patente und Lizenzverträge (inkl. SEPs) und bringt margenstarke Lizenzerlöse. Ergänzende Services (Installation, Wartung, Lifecycle) sichern Kundenbindung. Forschung & Entwicklung konzentriert sich auf 6G‑Forschung, optische Netze, KI für autonome Netze und Energiespartechniken, um technische Differenzierung und Lizenzpotenzial zu erhalten. Geographisch ist Nokia in Europa, Nordamerika und Asien‑Pazifik stark vertreten.
Ergebnisse des Unternehmensdialoges / Handlungsempfehlung:
Nach der Aussage des Investor Relations von Nokia Oyj liegt MSCI an zwei verschiedenen Fronten daneben. Zum einen soll der Datenprovider den Anteil am Gesamtumsatz falsch eingeschätzt haben und zudem eine fehlerhafte Klassifizierung vorgenommen haben.
Falsche Umsatzaufteilung: MSCI nutzte für seine Schätzung die Kombination der Sektoren „Rüstung“ und „Telekommunikation“ und teilte den hieraus abgeleiteten Umsatzanteil gleichmäßig auf beide Sektoren auf. Nach Aussage von Nokia ist diese Vorgehensweise unzutreffend. Der tatsächliche Umsatzanteil, der mit Rüstungsrelevanten Aktivitäten in Verbindung steht, liege unter 1% und sei so gering, dass Nokia diese Aktivität nicht separat berichtet. Das Rüstungssegment sei aus Sicht des Konzerns zu klein, um es als eigenständige Geschäftssparte zu führen; daher werde es gemeinsam mit Telekommunikationsumsätzen ausgewiesen. Folglich überschätzt MSCI vermutlich den Rüstungsanteil am Gesamtumsatz.
Fehlklassifizierung der Produkte: MSCI hat Teile des Umsatzes offenbar als „Weapon support systems“ bzw. maßgeschneiderte Rüstungslösungen klassifiziert. Investor Relations von Nokia stellt klar, dass die genannten Angebote (auf der Unternehmenswebsite teils als „maßgeschneiderte Lösungen“ bezeichnet) in Wahrheit Standardprodukte wie 4G/5G‑Netzkomponenten und Sensorlösungen für Telekommunikationsanwendungen sind. Diese Produkte sind nicht speziell für militärische Zwecke entwickelt oder ausschließlich für die Rüstungsproduktion vorgesehen, sondern Standardlösungen, die auch zivilen Netzbetreibern bereitgestellt werden. MSCI hat in seiner Berechnung offenbar nicht unterschieden, ob Produkte speziell auf den Verteidigungssektor zugeschnitten sind oder standardisierte Telekommunikationsprodukte darstellen.
Als Ergebnis ist daher festzuhalten, dass der Anteil am Umsatz geringer ist als die Schätzung von MSCI und dass es sich hierbei nicht um Waffenunterstützungssysteme handelt. Aus unserer Perspektive kommen wir daher zu dem Schluss, dass wir das Unternehmen freigeben und dem Investmentuniversum für unsere Art. 8 und 9 Fonds gem. SFDR hinzufügen. Dies ist auch im Einklang mit dem ESG-Rating des Unternehmens: Nokia Oyj hat nämlich ein ESG-Rating von AAA.
Da auf der Unternehmenswebsite nach wie vor Formulierungen wie „maßgeschneiderte Lösungen“ erscheinen und angesichts der geopolitischen Entwicklung in Europa (Ausbau von Rüstungskapazitäten), behalten wir Nokia unter Beobachtung. Sollte der entsprechende MSCI‑Datenpunkt künftig ansteigen, werden wir erneutes Engagement mit dem Emittenten führen und gegebenenfalls eine Neubewertung vornehmen.
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