Der Vorteil von aktivem Engagement

Jun 10, 2021

Im Rahmen unseres Konzepts „nachhaltige Mindeststandards“ haben wir einen quantitativen Screeningprozess basierend auf den Daten von MSCI aufgesetzt. Ziel ist es dabei, Unternehmen herauszufiltern, die entweder gegen die Grundsätze des UN Global Compact verstoßen und/oder in sehr schwerwiegenden unternehmerischen Kontroversen involviert sind. Von dieser Systematik waren in den vergangenen 12 Monaten auch die Unternehmen Volkswagen und Royal Dutch Shell betroffen. Das deutsche DAX-Unternehmen hat den Dieselskandal aufzuarbeiten, dem Mineralölunternehmen werden schwerwiegende Verfehlungen wie starke Umweltschädigungen und Menschenrechtsverletzungen im Niger-Delta in Nigeria vorgeworfen.

Zusammenspiel von quantitativer und qualitativer Bewertung

Unser Prozess sieht vor, dass nach dem quantitativen Screening die erhaltenen Ergebnisse qualitativ in einem ESG Gremium beurteilt werden. Häufig finden in diesem Zusammenhang direkte Unternehmensgespräche statt. Dies war auch bei Volkswagen und Shell der Fall.

Im letzten Jahr hatten wir bereits mit VW* Kontakt aufgenommen und dabei glaubhaft vermittelt bekommen, dass das Unternehmen wirksame Prozesse und Methoden etabliert hat, um zukünftig solche drastischen Vergehen zu vermeiden. Weiterhin wurde vom Unternehmen betont, dass es zukunftsorientiert handle, indem es einen aktiven Beitrag zur Mobilitätswende leisten möchte. Aufgrund dieser Erkenntnisse wurde das Unternehmen nicht aus unserem Investitionsuniversum ausgeschlossen. 

Als Anfang März über einen erneuten vermeintlichen Skandal des Konzerns berichtet wurde, bei dem die Konzerntochter Scania in einem Bestechungsskandal mit einer Buslieferung bzw. Kipplasteraufträgen nach Indien in Verbindung gebracht wurde, haben wir erneut die Unternehmensvertreter von Volkswagen kontaktiert. In diesem Gespräch wurden wir in unser ersten Entscheidung bestätigt. Der Konzern zog Konsequenzen und hat das Busgeschäft in Indien im Nachgang zu diesem Vorfall eingestellt und die involvierten Mitarbeiter freigestellt.

Insgesamt sind wir zu der Einschätzung gelangt, dass unsere Entscheidung im vergangenen Jahr zutreffend gewesen ist und sich das Unternehmen auf einem Weg hin zu mehr Nachhaltigkeit befindet. Bestätigt wurde diese Einschätzung im April auch durch die Verbesserung des MSCI-Nachhaltigkeitsratings von Volkswagen sowie durch die Einhaltung der UN Global Compact Leitlinien.

Positiver (Neben-)Effekt unserer Entscheidung war außerdem die sehr erfreuliche Wertentwicklung der Aktie in diesem Jahr (derzeit bester DAX-Wert), die unseren Kunden bei einem Ausschluss aufgrund des quantitativen Ergebnisses entgangen wäre.

Etwas anders liegt der Fall beim Unternehmen Royal Dutch Shell. Im Vorfeld einer Gerichtsentscheidung zu den Verwicklungen des Konzerns in die Umweltschädigungen in Nigeria haben wir mit dem Unternehmen gesprochen, um seine Sichtweise zu erfragen. Die Aussagen des Unternehmens wirkten auf uns wenig überzeugend, um die entstandenen Probleme nachhaltig zu beseitigen. Weiterhin erlangten wir den Eindruck, dass das Unternehmen eher wenig Energie darauf verwendet, das eigene Verhalten zukünftig nachhaltig zu ändern.

Diese Eindrücke führten dazu, dass wir das Ergebnis des quantitativen Screenings bestätigt sahen und das Unternehmen von unserem Anlageuniversum weiterhin ausgeschlossen haben.

Wenig später wurde das Unternehmen in dem Verfahren für die Umweltschäden in Nigeria auf Entschädigung verurteilt. Die Entscheidung eines niederländischen Gerichts in der vergangenen Woche, wonach das Unternehmen entgegen seinen Ankündigungen zu wenig für den Klimaschutz unternimmt und hier nun nachsteuern muss, um im Einklang zu den Pariser Klimazielen zu sein, bestätigt unsere Entscheidung das Unternehmen auszuschließen zusätzlich.

Unter Bezugnahme der Wertentwicklung des Unternehmens seit unserem Ausschluss konnten wir für unsere Kunden neben Reputations- auch Marktpreisrisiken durch unsere Entscheidung reduzieren. So hat sich die Aktie von Royal Dutch Shell im Zeitraum zwischen dem Anfang Juli 2020 und Ende Mai 2021 im Vergleich zum europäischen Öl- und Gassektor – der sich selbst unterdurchschnittlich entwickelt hat – um 11% schlechter entwickelt.

Die Beispiele VW und Shell zeigen eindeutig die Vorteile einer aktiven Engagement-Komponente im Rahmen einer ESG-Integration in den Investmentprozess auf.  Dank dieser Vorgehensweise konnten wir sowohl Risiken vermeiden (Shell), als auch attraktive Chancen am Kapitalmarkt (VW) wahrnehmen und können somit unseren Kunden den Mehrwert eines aktiven Assetmanagers bieten.

Christian Aselmann
Sustainable Investment Manager

* Hinweis: Warburg Invest ist über mehrere Fonds an dem Unternehmen Volkswagen direkt beteiligt.

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