Darf RWE Teil eines nachhaltigen Portfolios sein?

Fri Mar 04 15:33:46 CET 2022

Als Teil unseres ethischen Mindeststandards schließen wir generell Unternehmen aus, die wesentliche Umsatzanteile aus der Förderung und/oder der Energieerzeugung durch Thermalkohle erzielen. Im vergangenen Jahr lag der gerade noch zulässige Umsatzanteil aus der Energieerzeugung bei 30% und in diesem Jahr haben wir diese Obergrenze auf 25% reduziert.

Derzeit beträgt der Umsatzanteil von RWE aus dem Bereich Thermalkohle ca. 18% und auch im letzten Jahr lag das Unternehmen unterhalb der festgelegten Obergrenze. Formell spricht also nichts gegen ein Investment in den Energiekonzern und in unseren „normalen“ Anlageprodukten halten wir bereits RWE-Aktien oder -Anleihen. 

Für die Beurteilung, ob RWE Teil eines nachhaltigen Portfolios sein kann, haben wir uns in den letzten Wochen intensiv mit dem Konzern auseinandergesetzt. Ob RWE nachhaltig agiert, wird in Deutschland kontrovers diskutiert – nicht zuletzt aufgrund der Bilder von den Protesten aus dem Hambacher Forst, der von RWE zur Erweiterung des Braunkohleabbaus 2018 gerodet werden sollte, und für das Unternehmen einen massiven Reputationsverlust zur Folge hatte. Vor diesem Hintergrund haben wir im Rahmen unserer Engagement-Strategie den direkten Austausch mit Unternehmensvertretern gesucht.

Aktuell enorm hohe Treibhausgasemissionen

Zweifelsfrei gehört RWE gehört zu den größten Treibhausgasemittenten in Europa. Allein im Jahr 2020 hat der Konzern über 70 Millionen Tonnen Treibhausgase emittiert. Dies entspricht der Menge, die durchschnittlich von mehr als 6.5 Mio. Menschen in Deutschland jährlich verbraucht werden (Umweltbundesamt, MSCI). Zwar konnte RWE seit 2016 die absoluten Treibhausgasemissionen mehr als halbieren, doch noch immer gehört der Konzern zu den Top 3 Treibhausgasemittenten in Europa. Eine Fortsetzung des Reduktionspfads ist daher zwingend erforderlich, um die Klimakrise einzudämmen und die Wettbewerbsfähigkeit auch zukünftig zu erhalten.

Für Kapitalmarktteilnehmer ist neben der Entwicklung der absoluten Emissionen auch die Treibhausgasintensität interessant, die sich aus dem Verhältnis zwischen emittierten Treibhausgasen (in Tonnen) und erzielten Umsatzmillionen berechnet. Diese Kennzahl gibt an, wie effizient ein Unternehmen mit den verursachten Emissionen umgeht, und lässt darüber hinaus einen Wettbewerbsvergleich zu.

RWE weist im Segment der Versorger eine relativ hohe Treibhausgasintensität auf. Begründen lässt sich dies, sowohl mit der Höhe der absoluten Emissionen als auch mit dem relativ geringen Umsatz des Konzerns. Insbesondere nach der Abspaltung von „Innogy“, eine Sparte für erneuerbare Energien, erhöhte sich diese Kennzahl erheblich, denn in diesem Segment wurden hohe Umsätze bei geringen Treibhausgasemissionen erzielt. Der Umsatzrückgang durch die Abspaltung war größer als die Reduktion der absoluten Treibhausgasemissionen und dadurch ist die Kennzahl Treibhausgasintensität gestiegen.

Treibhausemissionen

Der jährliche Rückgang der absoluten Treibhausgasemissionen seit 2016 von durchschnittlich 14% und der Rückgang der Treibhausgasintensität nach Bereinigung der Umsatzdaten von ca. 18% pro Jahr deutet allerdings daraufhin, dass RWE tatsächlich einen Wandel in der Unternehmensstrategie hin zu mehr nachhaltigen Energieversorgungsquellen vorgenommen hat.

Fortsetzung des Reduktionpfads & Ausbau der Erneuerbaren

An großen Ankündigungen wonach Energieversorger in den kommenden Jahren „nur“ noch in erneuerbare Energie investieren wollen mangelt es derzeit nicht. Als nachhaltiger Investor sollte man deswegen auch die Ankündigung der Ausbaupläne von RWE „50 Milliarden Euro für 50 Gigawatt Kapazität bis 2030“ kritisch hinterfragen.

Im direkten Unternehmensgespräch haben wir eben diese Ausbaupläne kontrovers diskutiert. Angesichts einer derzeit installierten Gesamtleistung von ca. 41 GW ist das angepeilte Ziel, bis zum Ende des Jahrzehnts 50 GW an installierter Gesamtleistung vorzuhalten, unserer Meinung nach auf den ersten Blick nicht sehr ambitioniert. Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass RWE dieses Ziel mit dem Zubau einer „Bruttokapazität“ von ca. 35 GW erreichen will. Die Differenz zwischen dem Zubau der Bruttokapazität und dem angestrebten Ziel ist vor allem auf den Abbau von Kapazitäten im Bereich der Kernenergie und Thermalkohle zurückzuführen.

Kraftwersleistung

Berücksichtigt man den aktuellen Kraftwerkspark des Konzerns (siehe Grafik) ist ein zügiger Ausbau im Bereich der erneuerbaren Energien auch alternativlos, um die Treibhausgasemissionen weiter zu reduzieren und um kosteneffizient Energie produzieren zu können. Denn im Vergleich zum Sektor sind einige Wettbewerber hier deutlich besser aufgestellt.

Bei Betrachtung der Erweiterungsinvestitionen (CAPEX), die explizit von der EU-Taxonomie berücksichtigt werden, nimmt RWE auf Basis der Vergleichsdaten von MSCI allerdings eine Spitzenposition mit aktuell über 90% Anteil an den Gesamtinvestitionen ein.

Carbon Emissions

Keine hohen Investitionen in Energiespeicher

Angesichts der notwendigen Dekarbonisierung des Industriesektors ist der Ausbau von Kapazitäten im Bereich der erneuerbaren Energien zwingend notwendig. Neben der Bereitstellung der notwendigen Stromkapazität ist aber vor allem der Aufbau von Speicherkapazitäten essentiell, um die Fluktuation abzufedern, die bei der Stromproduktion durch Wind- oder Sonnenenergie auftritt. Angesprochen auf dieses Thema lenkten die Unternehmensvertreter jedoch schnell den Fokus auf Wasserstoffprojekte, die vor allem in Zusammenarbeit mit großen Industriekonzernen angestoßen wurden und derzeit auch von der EU gefördert werden. Eine Fokussierung des Konzerns auf den Zubau von Energiespeichern in nennenswertem Umfang konnten wir (noch) nicht erkennen. Dies ist für RWE evtl. aber auch erst der übernächste Schritt angesichts des aktuell vorhandenen Kraftwerksparks.

Der Wandel von „brown to green“ ist eingeleitet

Insgesamt kommen wir zu dem Schluss, dass RWE die Transformation des Konzerns hin zu mehr Nachhaltigkeit ernst meint und den eingeschlagenen Pfad zur Reduktion der Treibhausgasemissionen weiter fortsetzen will. Dieser Eindruck wird sowohl von den bereits erreichten Reduktionen als auch von den geplanten Investitionen in den nächsten Jahren bestätigt.

Im direkten Gespräch haben wir eine sehr offene Atmosphäre und hohe Bereitschaft zur Transparenz in den einzelnen Bereichen erfahren. Nun bleibt abzuwarten, ob RWE das postulierte hohe Ausbautempo bei den erneuerbaren Energien wirklich umsetzen kann. Denn die aktuell hohen Preise an der Strombörse könnten das Ausbautempo möglicherweise hemmen, da RWE nunmehr mit seinen Kohlekraftwerken hohe Gewinne erwirtschaften kann. Normalerweise sollte der fast zeitgleich erfolgte Anstieg der Preise für CO2-Emissionszertifikate für einen erhöhten Druck auf das Unternehmen sorgen, den Ausbau von ökologisch günstigeren Kraftwerken zu beschleunigen. RWE hält aber hohe Bestände an Emissionsrechten, die den Konzern trotz des aktuell emissionslastigen Kraftwerksparks, gegenüber weiteren Preisanstiegen immunisieren. Diese betriebswirtschaftlich kluge Entscheidung könnte die Ausbaupläne möglicherweise verzögern.

Im Rahmen unseres Engagement-Ansatzes werden wir auch in den kommenden Monaten und Jahren die Umsetzung der Strategie „50 Milliarden für 50 GW“ verfolgen und weiterhin den Kontakt mit dem Unternehmen suchen, um die Transformation aktiv zu begleiten. Die zu Beginn gestellte Frage, ob RWE Teil eines nachhaltigen Portfolios sein sollte, können wir für uns aufgrund der vorgenommenen Analyse derzeit bejahen.

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