Adidas – ein deutscher Musterschüler als Sponsor der WM in Katar

Aug 26, 2021

Im Bereich der Produktionsprozesse und Vermeidung von Rohstoffverschwendungen oder Treibhausgasen ist das Unternehmen sehr gut aufgestellt. Adidas stellt strenge Anforderungen an die kooperierenden Unternehmen entlang der Lieferkette, um Zwangsarbeit oder Kinderarbeit zu vermeiden. Dabei werden auch die Lieferanten der zweiten und dritten Reihe miteinbezogen und jährlich einem Auditprozess unterworfen. Zudem bietet Adidas eine sehr große Transparenz über die Unternehmen mit denen zusammengearbeitet wird. Weiterhin hat das Unternehmen ein CO2-Reduktionsziel von 30% bis zum Jahr 2030 in Bezug auf Basisjahr 2017 implementiert und befindet sich damit im Plan des Pariser Klimaabkommens.

Grundsätzlich zeigen sowohl die Aussagen aus unserem Gespräch als auch die Auswertungen von MSCI in der Wettbewerbsanalyse, dass Adidas relativ zum Industriesektor zu den besten Unternehmen gehört. Folgerichtig wird das Unternehmen auch von MSCI mit der Höchstnote AAA bewertet.

Die Bedeutung von Sponsoring- und Marketingaktivitäten für die Reputation

Neben den Herstellungs- und Vertriebsprozessen, die das Unternehmen direkt mit seiner originären Tätigkeit beeinflussen kann, umfassen die sozialen Aspekte bei der ESG Bewertung noch weitere Themengebiete. Für den Fall von Adidas sind an dieser Stelle vor allem Sponsoring- und Marketingaktivitäten zu nennen mit denen soziale und gesellschaftliche Aspekte angesprochen werden.

Die Tatsache, dass das Unternehmen einer der größten Sponsoren der Fifa ist und damit (zumindest indirekt) die kommende Fußballweltmeisterschaft in Katar unterstützt, stellt für uns ein potentielles Reputationsrisiko für das Unternehmen dar, das sich möglicherweise zukünftig in signifikanten Kursrückschlägen widerspiegeln kann. Diese Einschätzung deckt sich auch mit der Risikoanalyse von MSCI, wonach Reputationsrisiken zu den größten Risikofaktoren in diesem Industriezweig gehörten.

Die Rolle von Adidas bei der Fußball-WM in Katar

Folgerichtig haben wir dieses Thema ins Zentrum unseres Gesprächs gestellt und wollten eine Einschätzung von Adidas zu dieser Thematik bekommen. Uns wurde mitgeteilt, dass Abgesandte von Adidas im Menschenrechtsbeirat von Fifa vertreten seien und man über dieses Gremium versuche, einen Einfluss auf die Menschrechtssituation in Katar zu nehmen. Konkrete Rückfragen dazu, wie die genaue Ausgestaltung sei oder wie man sicherstellen könne, dass umgesetzte Reformen nach Beendigung der Fußballweltmeisterschaft nicht wieder zurückgedreht werden, blieben unbeantwortet.

Zunächst wurde zugesichert, dass sich ein Vertreter aus dem Sponsoring-/ Marketingbereich mit uns zu diesem Thema in einem „Follow-Up“-Termin detailliert auseinandersetzen würde. Dieses Gespräch ist leider nicht zustande gekommen. Stattdessen haben wir ein Statement des Unternehmens zugesandt bekommen, wonach Adidas „größtmöglichen Fokus auf ein geteiltes Wertesystem“ bei der Auswahl seiner Partner legt, um das selbst gesteckte Ziel zu erreichen, „die weltweit beste Sportartikelmarke“ zu sein.

Risiken aus Sponsoringaktivitäten auf die Reputation und die Absatzmärkte

Auf Seiten des Unternehmens sind hier schon sehr gute Strategien implementiert worden, um die Ziele zu erreichen. Ein weiterer positiver Schritt wäre es nun, die Marktmacht des Konzerns zu nutzen, um darüber ebenfalls einen positiven Beitrag zu erzielen. Die Fußballweltmeisterschaft in Katar bietet dafür die besten Möglichkeiten, denn das Land weist Defizite bei der Menschenrechtslage auf. Das Sponsoring bei der kommenden Weltmeisterschaft bringt allerdings auch ein erhebliches Risiko für Adidas mit sich.

Sollte im Vorfeld der WM wieder verstärkt über die Missstände berichtet werden, so besteht die Gefahr, dass sich dies negativ auf die Kapitalmarktentwicklung des Unternehmens auswirkt. Eine repräsentative Umfrage des Marktforschungsinstitut appinio, die nach den Veröffentlichungen des Guardian zu der großen Anzahl an Todesfällen auf den Baustellen der Fußballweltmeisterschaft in Katar veröffentlicht wurde, zeigt, dass ein Großteil (76%) einen vollständigen Boykott eines Sponsors befürworten würden und dieses Unternehmen sogar Imagegewinne verzeichnen könnte.(1) Dreht man die Ergebnisse um, könnte es dazu kommen, dass Großsponsoren in diesem Zusammenhang negativ beurteilt werden und Wettbewerbsprodukte bevorzugt werden. Die Sorge vor so einer Reaktion hat kürzlich auch dafür gesorgt, dass der Großsponsor Toyota sämtliche Werbespots bei den Olympischen Spielen in Tokio kurzfristig abgesagt hat, weil die Austragung in Zeiten der Corona-Pandemie in der Bevölkerung kritisch gesehen wurde.

Gerade bei einem Unternehmen wie Adidas, das mit dem höchsten ESG-Rating ausgezeichnet wird, ist die Fallhöhe naturgemäß besonders hoch und auf dem Weg des Unternehmens, „die weltweit beste Sportartikelmarke“ zu werden, sollte zunehmend das Augenmerk auf die Auswahl der Sponsoringaktivitäten gelegt werden, um keine böse Überraschung zu erleben.

(1) https://www.appinio.com/de/blog/deutsche-fuer-wm-boykott-katar

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